Am 04. November versammelten sich etwa 900 Personen unter dem Motto „United gegen Repression – für eine solidarische Gesellschaft“ auf den Straßen Hamburgs, um gemeinsam ein Zeichen gegen anhaltende Repressionen zu setzen. Eine Besonderheit der Demonstration war die Geschlossenheit, mit der Gruppen aus verschiedenen linken Spektren trotz Unstimmigkeiten oder Uneinigkeiten über bestimmte Themen gemeinsam demonstrierten.

Hansaplatz – Normalisierung der staatlichen Überwachungskultur
Der Hansaplatz im Hamburger Stadtteil St. Georg wird durch einen großen Kamera-Tower dauerhaft überwacht. Unterstützt wird diese Überwachung seit Juli durch eine Künstliche Intelligenz (KI), welche Bewegungen der Menschen analysiert und bei auffälligen und bedrohlich wirkenden Situationen Alarm schlägt. Die KI-Überwachung hier ist ein 3-monatiges Experiment der Stadt Hamburg, um die zukünftige Nutzung von KI für die Videoüberwachung zu testen. Man wolle dann später auf die dauerhafte Aufzeichnung verzichten und nur dann die Kamera einschalten, wenn es durch die KI nötig erscheint. Innensenator Grote (SPD) hofft darauf, die KI nicht nur in Hamburg, sondern bundesweit einsetzen zu können, zum Beispiel an Bahnhöfen und in Zügen.
Kritik an der KI-Überwachung kommt zum Beispiel vom „Bündnis Hansaplatz“.
In den vergangenen Monaten sei die Kriminalität auf dem Platz nicht zurück gegangen und eine höhere Polizei-Präsenz zu vernehmen. Durch Fehleinschätzungen der KI wurde beispielsweise bei simplen Umarmungen Einsatzkräfte gerufen, was hin und wieder zu mehr Problemen geführt hat.
Die KI erkenne zum Beispiel auch Liegen als „auffälliges Verhalten“, was dazu führe, dass obdachlose Personen von der Polizei verdrängt werden.
Das „Bündnis Hansaplatz“ kritisiert, dass das Überwachungsexperiment dazu führe, dass sich die Menschen an die Kameras gewöhnen und eine Normalisierung dieser Überwachung einkehrt. Am meisten leiden würden darunter Obdachlose, arme Menschen und People of Color.
Demonstration gegen Repression
Die Überwachungssituation nahmen sich die Anmelder*innen zum Anlass, die Demonstration am Hansaplatz starten zu lassen. Die Kameras seien laut Ordnungsamt zwar ausgeschaltet, allerdings sah man hin und wieder wie sich einzelne Kameras bewegten. Einzelne Polizist*innen standen zu Beginn auf Dächern, um die Demonstration zu beobachteten und Fotos anzufertigen.

Neben der gewohnt hohen Polizeipräsenz waren auch mehrere Zivilpolizist*innen innerhalb der Demonstration und Beamt*innen des Staatsschutzes vor Ort. Unter den Anwesenden sorgten die zivil gekleideten Beamt*innen für Anspannung.
Nachdem die Demo eröffnet wurde, teilten sich die anwesenden Personen in insgesamt 5 verschiedenen Blöcken auf. Die Demonstration wurde durch einen allgemeinen Block und den No-Borders-Block angeführt, gefolgt vom Lautsprecherwagen. Unmittelbar dahinter begann der Antifa-Block, gefolgt vom antiautoritären Block und den Schluss bildete der Klima-Block.


Nach Redebeiträgen der einzelnen Blöcke startete die Demonstration durch die Innenstadt. Laut und bestimmt verschafften sich die Demonstrant*innen in den Straßen Hamburgs Gehör und Aufmerksamkeit. Mehrfach schlossen sich noch Menschen der Demonstration an.
Den ersten Zwischenstopp machte der Aufzug bei der Behörde für Sport und Inneres und Ausländerangelegenheiten. Hier fand ein Erfahrungsbericht eines ehemaligen Inhaftierten des Abschiebeknasts in Glückstadt seinen Platz. Wenig später zogen die Teilnehmer*innen weiter, während die Polizei die Demonstration von allen Seiten abfilmte. Grund dafür sollen immer wieder vermummte Personen gewesen sein. Der Versammlungsleiter verkündete daraufhin, dass die Demonstration erst weiterlaufen werde, wenn die Polizei aufhöre mit filmen. Der Einsatzleiter ordnete darauffolgend an, nur noch zu filmen, wenn wirklich relevante Dinge passieren. Daran hielten sich die Einsatzkräfte anschließend nur bedingt.




Nach einer längeren Laufroute durch die Stadt kam die Demonstration an der JVA Holstenglacis an, wo die Gefangenen begrüßt wurden.
Hier wurden außerdem Reden der kurdischen Bewegung gehalten, welche dazu aufriefen, dem Verfahren gegen einen Aktivisten beizuwohnen und diesen solidarisch zu beobachten.
Der „Solidaritätskreis Roter Aufbau“ berichtete hier zudem von der über 3 Jahre andauernden Repression und Überwachung der kommunistischen Gruppe „Roter Aufbau Hamburg“. 28 Wohnungen von 24 vermeintlichen Mitglieder des „Roten Aufbaus“ wurden durchsucht. Außerdem wurden die Autos der Betroffenen verwanzt, Telefonate wurden mitgehört und die Handys überwacht. Grund für die Überwachung war der Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Da sich die Gruppe allerdings aus politischen Gründen zusammenschloss und nicht, um in erster Linie Straftaten zu begehen, wurde das Verfahren eingestellt.
Außerdem soll auch ein neues Rondenbarg-Verfahren eingeleitet werden. Das Letzte wurde nur abgebrochen, da die Richterin in Mutterschutz gegangen ist.
Die Redner*innen sprachen sich außerdem immer wieder dafür aus, Gefängnisse abzuschaffen und den Kapitalismus zu überwinden. Sie forderten „Freiheit für alle Gefangenen“, was einzelne Inhaftierte zum Jubeln brachte.

Nachdem noch ein wenig Musik für die Insassen gespielt wurde, zog die Demonstration weiter Richtung Karo-Viertel, wo sich die Polizei kurzzeitig komplett zurückzog. Während die Demonstration ohne Polizeibegleitung durch die Karolienstraße Richtung Feldstraße lief, wurde aus der Demonstration und auch von den Dächern viel Pyrotechnik gezündet.



An der Kreuzung vom neuen Pferdemarkt fand die Demonstration nach einigen letzten Reden schließlich ihr Ende. Für die Teilnehmer*innen war hier allerdings noch kein Ende in Sicht. Die Versammlungsleitung wies darauf hin, dass die Polizei ständig nach Menschen in der Demonstration suche und es sein könnte, dass Einzelpersonen rausgezogen werden.


Nach Ende der Demonstration kam es dann schließlich zu einer polizeilichen Maßnahme. Eine größere Gruppe ehemaliger Teilnehmer*innen war auf dem Weg zur Bahnstation, als drei Polizeiautos neben ihnen parkten und die Türen auf gingen. Innerhalb von wenigen Sekunden wurden mehrere Personen von der Polizei weggeschubst und geschlagen. Ohne Ankündigung und ersichtlichen Grund zerrten die Einsatzkräfte eine Person in eines der Autos und fuhren weg. Wenig später wurde die Person nach einer ED-Behandlung wieder frei gelassen.
Laut mehrere Teilnehmer*innen könnte die Demonstration einen Aufschwung für die linke Szene in Hamburg bedeuten. In Zukunft müsse immer wieder auf Zusammenarbeit trotz vereinzelter Unterschiede in politischen Diskursen gesetzt werden. Beispielsweise wünschten sich Teilnehmende, dass auch bei Gentrifizierung, Patriarchat oder rechten Mobilisierungen gemeinsame spektrenübergreifende Demonstrationen stattfinden sollten. Die Demonstration gegen Repression könnte dafür ein Auftakt gewesen sein.
