Rock gegen Rechts – 16 Jahre Rock am Berg16 Minuten Lesezeit

Seit 2002 besteht das Rock am Berg. Was früher noch an der Thüringisch-Hessischen Grenze in Vacha stattfand, findet sich heute im alten Waldstadion des kleinen Merkers wieder. An jedem 2. Juni-Wochenende rockt das Stadion und damit hunderte Besucher*innen so laut, dass es über Kilometer hinweg zu hören ist. „Wir rocken Rechts weg“ ist das Motto des eingetragen Vereins, der sich als mehr als nur ein Festival versteht.

Zusammen mit der Jugendorganisation „Linksjugend [solid]“, IG-Metall und Mobit informiert der Rock am Berg Merkers e.V. über die Zustände Thüringens und des Wartburgkreises. Es gibt auf dem Festival sogar eine eigene Politikbühne, wo zum Start jeden Tages Vorträge, Lesungen, Diskussionen, aber auch Karaoke und Filme abgespielt werden. Die Non-Profitorganisation veranstaltet außerdem Demonstrationen, Infoveranstaltungen und geht an Schulen, um dort über den Umgang mit Rechtsextremen zu informieren. Übrige Einnahmen des Festivals spenden die Organisator*innen an Initiativen gegen Rechts.

Das Waldstadion beherbergt im Normalfall die Fußballmannschaft des SV-Kali Werra und war bis zum Einzug des Rock am Bergs relativ runtergekommen. Der Verein hat seit geraumer Zeit einen Nutzungsvertrag und kümmert sich um die Instandhaltung des Geländes. So hat der Verein aus eigenen Taschen die Wasserversorgung zum Stadion verlegt. Die Stromversorgung läuft allerdings noch über angemietete Stromaggregate.
Was zu Anfangszeiten mit 2 Bands auf einer kleinen Fläche begann, geht heute über 3 Tage mit etwa 30 Bands. Neben Newcomern wie „The Dead End Kids“ rocken auch alteingesessene Punk-Bands wie „Gloomster“ oder „Loikaemie“, sowie Szene-Rap Gruppen wie „Kafvka“ oder „Häck/Mäck“ die Bühne oberhalb des kleinen Dorfes. Auch Größen wie die „Donots“ und internationale Bands wie die „Petrol Girls“ und „Talco“ lassen es sich nicht nehmen, die naheliegende Kreyenburg zum Beben zu bringen.

Das Festival fand vom 8. bis zum 10. Juni statt und startete bei praller Hitze mit einem Vortrag über die „Eisenacher Zustände“. Vornehmlich ging es dabei um die NPD (heute „Die Heimat“), welche im Stadtrat genau so stark vertreten ist wie die AfD. Außerdem kam auch die rechtsextreme Gruppe „Knockout 51“ zur Sprache. Die extremen Rechten sollen Angriffe auf Polizist*innen und Linke geplant haben. Seit 2017 versuchen sie außerdem einen „Nazi-Kiez“ in Eisenach zu etablieren.
Laut Redner wird es wieder ungemütlich. Eine neue Jugendgruppe hat sich gegründet. Es gebe konkrete Morddrohungen für aktivistische Menschen, „Kiez-Patrouillen“, ständig neue rechte Sticker und Graffiti.
Am 18. November soll es aufgrund dieser Zustände eine antifaschistische Demonstration durch Eisenach geben.


Im Vortrag zum Untersuchungsausschuss Politisch Motivierte Kriminalität (kurz PMK) berichtete Katharina König-Preuss (Die Linke) über die aktuell wachsende Repressionswelle gegen Antifaschist*innen, Abgeordnete und Gewerkschaften. Die Akzeptanz des Antifaschismus sei lange vorbei, sagte sie. Sie richtet den Blick auf den sogenannten „Tag X“ und erklärte, dass die gesammelten Daten an die SoKoLinx weitergeben werden, welche durch die Einsatzkräfte in Leipzig festgestellt und gesammelt werden konnten.
Man müsse anfangen, den Blick der Gesellschaft auf Veranstaltungen wie Fußballspiele oder das Oktoberfest zu richten und diese ins Verhältnis zur Gewalt und den Polizeiaufgeboten zu setzen. Dies müsste mit linken Demonstrationen verglichen werden und damit auch mit der Kriminalisierung der Szene.

Auch sie sprach noch einmal von Eisenach, wo sich der Zustand immer weiter verschlimmert. Dort würden Neonaziveranstaltungen als Buchlesungen gelabelt und damit zusammenhängende Konzerte von Bands wie „Slipnier“ legitimiert. Bei der Vernehmung des Präsidents des Thüringer Kriminalamts kam heraus, dass die Thüringer Polizei nicht in die Ermittlungen gegen „Knockout 51“ involviert ist.
Die Linken-Politikerin berichtete ebenfalls davon, dass die AfD Anträge an den Untersuchungsausschuss über Linke öffentliche Räume bzw. „linksextremistische Immobilien“ gestellt hat und es dazu kommen kann, dass diese früher oder später ausgehändigt werden müssen. Daraus folgt dass linke Strukturen einsehbarer werden.

„Es ist schon eine ganz schön scheiß Situation grade“, sagte die Landtagsabgeordnete. „Das Ganze kann manchmal ganz schön bedrücken und zu einer Starre führen […]aber es bringt uns nichts, wenn wir aufhören aktiv zu sein und uns einzusetzen“. Viel Beifall bekam sie, als sie anmerkte, dass Veranstaltungen wie das Rock am Berg gut für die Psychohygiene seien, um einmal aus den aktuellen Zuständen zu entfliehen. Die Kraft werde mit Blick auf die aktuellen Wahl-Umfragen dringend gebraucht.

Den musikalischen Start machte „Butterwegge“. Neben links-politischer Tanzmusik machten sie mit „Wer’s fühlt, der weiß es“ auf psychischen Erkrankungen aufmerksam. Ab 20 Uhr begannen die Punks im Regen zu „Drei Meter Feldweg“ zu tanzen, doch der Schauer hielt im Gegensatz zur guten Stimmung nicht lang an.

Neben weiteren Bands heizten „Petrol Girls“ dem Rock am Berg ordentlich ein. Die Queer-Feministische Hardcore-Punk Band brachte die Masse zum Schwitzen. Zwischen den Songs machten sie immer wieder auf die Missstände der Gesellschaft aufmerksam und betonten, dass man für das eigene Recht eintreten und die eigenen Freunde mitschützen solle, wenn man denn kann. Sie sprachen sich klar für das Recht auf Abtreibungen und für die sexuelle Selbstbestimmung aus, wofür sie viel Beifall ernteten.

Das wohl spektakulärste Opening hatte „Häck/Mäck“. Zu Anfang zierte die Polit-Bühne ein Banner mit der Aufschrift „Free all Antifas“, welches mit Einsetzen der Musik herunter gelassen wurde. Dahinter verbarg sich eine Darstellung des letzten Abendmahls. An einem langen Tisch aufgereiht saßen Personen des Team-Ordnung und Jesus in rot und mit Sturmhauben. Sie tranken Bier, übergossen sich damit und warfen es in die Menge. Die Stimmung war über den gesamten Auftritt hinweg Party pur. Der verkleidete Jesus schenkte immer wieder Bier und Pfeffi aus. In der Mitte der Show teilte er die Menge, wie Moses das Meer, um eine Wall-Of-Death in Gang zu bringen. Die Show endete mit dem Lied „Kind eines Teufels“, ws auch die letzten Grashalme auf der Wiese umknicken lies.

Auch ZSK legten eine Premiere beim diesjährigen Rock am Berg hin. Sie zauberten ein Twister-Spiel hervor, gaben es in die Menge und suchten sich mehrere Personen aus, die dann um ein Bandshirt spielten.

Bild: Rio Turner

Tagsüber vergnügten sich die meisten Teilnehmer*innen in ihren Camps, oder beim „Flunkyball“ bzw. „Bierball“ spielen, um der prallen Hitze etwas zu entgehen. Für alle „Frühaufsteher*innen“ gab es beim Essensstand der „KüFa Suhl“ Kaffee und Waffeln zum Frühstück. Mit immer später werdender Stunde besuchten immer mehr Menschen die Eventfläche des „Rock am Berg“.
Zwischen den feiernden Menschen waren auch immer wieder Kinder zu sehen, die den Pogo regierten, sich die Bühne zusammen mit den Bands nahmen oder direkt in der ersten Reihe für Stimmung sorgten. Viel Beifall gab es immer wieder für die Kleinen unter den Teilnehmer*innen. Das „Rock am Berg“ ist eben nicht nur ein politisches Punk-Festival, sondern auch für Familien geeignet. Die größtenteils ebene Wiese der Eventfläche machte es auch den Rollstuhlfahrer*innen einfach, ohne größere Probleme über das Gelände zu kommen.

Viele Besucher*innen berichteten, dass das LineUp schon fast egal geworden sei. Sie seien vielmehr wegen der Menschen da oder um sich eine Auszeit vom alltäglichen Druck zu nehmen und ein Wochenende lang komplett sie selbst zu sein. Viele bezeichneten das Festival als eines der „schönsten“ und „familiärsten“.
Der Verein trägt dazu bei und versucht jedes Jahr, ein Stück mehr zu einem Safer-Space zu werden. Durch Schilder mit der Aufschrift „no shirt – no service“ und einem neuen Awareness-Team, welches eng mit dem Team-Ordnung und der Security zusammenarbeitet, geht das Festival klar gegen Übergriffe und Diskriminierung, auch während des Festivals, vor. Das Team-Ordnung, das Awareness-Team sowie das Ausschankteam und der Rest des Festaivals besteht aus ehrenamtlichen Helfer*innen.

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