Der Faschismus wächst wieder in Deutschland. Menschenfeindlichkeit wird akzeptiert und der Staat ist auf dem rechten Auge blind. Am 11. Mai 2023 kam es in Zwickau, der viert größten Stadt Sachsens, zu einem Angriff auf eine geplante Geflüchtetenunterkunft. Angedacht war, einen Wohnblock an der Heisenbergstraße in Zwickau-Eckersbach als Unterbringung für Geflüchtete zu nutzen. Wie die Freie Presse berichtete sind Unbekannte zwischen 21 und 23 Uhr am Donnerstag, dem 11. Mai 2023 in das Gebäude eingedrungen. Türen wurden eingetreten und das Heizungssystem beschädigt. Der Vermieter beziffert den Sachschaden auf rund 10.000 Euro. Aus diesem Anlass sowie aufgrund von Hetzreden und Gewalt gegen Menschen, die sich gegen Rechte positionieren, organisierte die Gruppe „Antifa im Exil“ eine antifaschistische Demonstration.
„Nazi-Strukturen benennen und bekämpfen“
Am 25. Juni 2023 fand die Demonstration von der Gruppe „Antifa im Exil“ statt. Unter dem Motto „In Zwickau und anderswo: Nazi-Strukturen benennen und bekämpfen“ ging es 14 Uhr am Zwickauer Hauptbahnhof los. Vor Ort beteiligten sich circa 100 Menschen an der Versammlung.





Vom Hauptbahnhof lief die Demonstration zum Schwanenteichpark, wo sich der Gedenkhain für die Opfer des „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) befindet, an dem die erste Zwischenkundgebung stattfand. Es wurde die Lebensgeschichte von Habil Kılıç verlesen, ermordet durch den NSU. Am 29. August 2001 starb er in einem Feinkostladen seiner Familie in München-Ramersdorf durch zwei Kopfschüsse. Heute wäre er 60 Jahre alt. In Gedenken an die Ermordeten wurde eine Schweigeminute abgehalten.
Auf der zweiten Zwischenkundgebung auf dem Zwickauer Hauptmarkt wurden mehrere Redebeiträge verlesen, unter anderem von Personen aus Zwickau und Plauen, die von ihren Erfahrungen mit rechtem Gedankengut und dessen Ausbreitung berichteten.
Anschließend wurde ein Grußwort von Fridays for Future Dresden verlesen, die zum gleichen Zeitpunkt am Tagebau Welzow in der Lausitz gegen den Kohleabbau demonstrierten. Thematisiert wurde unter anderem die Verbindung zwischen Antifaschismus und Klimaschutz.
Die Demonstration passierte ebenfalls den „Pölbitzer Dartclub“. Ein Lokal in der Leipziger Straße 88, in dem nicht selten Neonazi-Liederabende und rechte Konzerte stattfanden. Lautstark zog der Demonstrationszug vorbei und lief schließlich zurück zum Hauptbahnhof.





Während der Demonstration kam es, bis auf einige beleidigende und teilweise rechtsextreme Zurufe, zu keinen Zwischenfällen.
Angriff nach der Demonstration – Interview mit Betroffenen
Nach der Demonstration kam es in Zwickau zu einem rechten Angriff auf Versammlungsteilnehmer*innen. Wir wurden durch folgenden Tweet darauf aufmerksam.
Demonstrant*innen wurden nach der Demo von Jungfaschos mit Quarzhandschuhen gejagt. Den Genoss*innen geht es gut. Faschos patrouillieren aber immer noch in der Stadt. Passt auf euch auf!#z2506
— Aktivisti Zwickau (@AktivistiZ) June 25, 2023
Wir haben mit Betroffenen Kontakt aufgenommen und mit einem Menschen ein Interview geführt.
Was habt ihr nach der Demonstration gemacht? Und wann kam es zu dem Angriff?
Einige Menschen aus anderen Städten fuhren direkt nach der Demonstration zurück. Einige von uns, schätzungsweise 15-20, fuhren mit dem Bus Richtung Innenstadt, da wir gemeinsam in unserem Lieblingsdönerladen essen wollten.
Der Angriff fand dann circa eine Stunde nach Beendigung der Demonstration statt.
Wo genau fand der Angriff statt?
Der Angriff fand auf der Bosestraße in Zwickau statt, welche Richtung Neumarkt führt.
Wie genau lief der Angriff ab?
Schon als wir zum Dönerladen gingen, wurden wir auf drei sehr junge männlich gelesene Personen aufmerksam. Nachdem diese an uns vorbeigegangen waren, telefonierte einer von ihnen. Einige Zeit später bekamen wir die Info, dass sich vor dem Dönerladen eine Gruppe von Jungfaschos aufgestellt habe. Wir haben uns dann entschieden, erstmal im Laden sitzen zu bleiben, da uns das am sichersten schien und wir auch nicht sonderlich Angst hatten, da wir relativ viele Menschen waren. Die Gruppe Jungfaschos ist dann ziemlich plötzlich losgerannt, weg vom Dönerladen. Erst nach einigen Sekunden haben wir verstanden, dass die Gruppe anderen Demoteilnehmer*innen hinterherrennt. Wir sind sofort hinterher und konnten von weitem erkennen, dass die Faschos Quarzhandschuhe trugen. Viele von denen waren noch ziemlich jung, schätzungsweise 14-22, werden aber bereits in diesem jungen Alter darauf gedrillt, solche Art von Angriffen durchführen zu können. Die Betroffenen, welche gejagt wurden, fanden an unterschiedlichen Orten Zuflucht, unter anderem in einer naheliegenden Kneipe.
Wie verhielt sich die Polizei vor Ort?
Die Polizei wurde hinzugezogen, auch, um vielleicht spätere Angriffe an diesem Abend zu vermeiden, da allen bewusst war, dass die Faschos nur darauf gewartet, fast schon gelauert haben und nach diesem Versuch nicht sofort nachgeben werden. Wir erzählten der Polizei, was passiert ist und ein Betroffener stellte Anzeige. Wir baten darum, eine größeren Gruppe von uns, die zurück zum Hauptbahnhof muss, dorthin zu begleiten. Die Polizei beneinte dies, da „die Angreifer ja jetzt weg sind“ und für uns keine Gefahr mehr bestehe.
Inwiefern belastet die Betroffenen Menschen so ein Angriff?
Da ich in dieser Situation nicht unmittelbar betroffen war, möchte ich nicht für betroffene Personen sprechen. Aus eigenen Erfahrungen heraus kann ich aber sagen, dass solche Angriffe prägen. Und es ist wichtig zu sagen, dass solche Situationen keine Einzelfälle sind. Es ist eine Sache, auf eine Demonstration ins Hinterland zu fahren. Aber es gibt immer die Möglichkeit, wieder in die eigene Stadt zurückzukehren und der Gefahr von organisierten Neonazi-Gruppen zu entfliehen. Für einige Menschen gibt es diese Option nicht. Passiert so ein Angriff, gehen diese Menschen trotzdem in derselben Stadt zur Schule, auf Arbeit, einkaufen oder treffen sich mit Freund*innen. Diese Gefahr besteht für sie im Alltag und das schon alleine, wenn sie sich für Menschenrechte einsetzen. Für migrantische und queere Personen besteht diese Gefahr konstant und dafür muss ein Bewusstsein entstehen.