Proteste gegen AfD Landesparteitag in Offenburg15 Minuten Lesezeit

Am 4. März fand in Offenburg der Landesparteitag der AfD in Baden-Wüttemberg statt. Es kam zu mehreren großen Demonstrationszügen, Kundgebungen, einem stundenlangen Polizeikessel und Behinderung der Pressearbeit.

Bild: Armilla Brandt

Breite Mobilisierung

Ende Januar wurde über die Website der „Autonomen Antifa Freiburg“ überraschend der Termin und der Standort für den nächsten AfD-Landesparteitag in Baden-Württemberg bekanntgegeben. Dieser sollte am 04. und 05. März in der Oberrheinhalle in Offenburg stattfinden. Am Freitagabend, dem 03. März, sollte allerdings bereits das 10-jährige Bestehen der in Teilen rechtsextremen und faschistischen Partei stattfinden.

Bild: Armilla Brandt

Protest wurde bereits kurze Zeit später durch das bürgerliche Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ und ein Antifa-Bündnis angekündigt. Zweiteres veröffentlichte auf der Website der „Antifaschistischen Aktion Süd“ (antifa-info.net) einen Aufruf, welcher von mehr als 20 Gruppen und Organisationen aus Süddeutschland und Frankreich unterzeichnet wurde. In diesem wird sowohl die AfD klar als Gegner benannt, als auch Kritik an anderen bürgerlichen Parteien geäußert. Nichtsdestotrotz mobilisierte das Bündnis sowohl zu den Protesten von „Aufstehen gegen Rassismus“ als auch zu einer eigens organisierten Demonstration durch die Offenburger Innenstadt.

Lautstarker Auftakt

Der Aktionstag am 04. März begann mit einer großen und kraftvollen antifaschistischen Spontandemonstration. Mehrere Hundert Antifaschist*innen zogen vom Bahnhof zur Auftaktdemonstration. Dort schloss sich die Demonstration dann der Kundgebung des „Aufstehen gegen Rassismus“-Bündnisses am Rathausplatz an. Laute Sprechchöre waren durch die ganze Innenstadt Offenburgs zu hören und erste Kräfte der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (kurz: BFE) stationierten sich in Kleingruppen rund um den Block des Antifa-Bündnisses. Auch ein Hubschrauber war seit Ankunft der Anreisen am Bahnhof in der Luft und überwachte das Versammlungsgeschehen.

An der Demonstration des bürgerlichen Bündnisses beteiligten sich schätzungsweise bis zu 1500 Personen, ein wesentlicher Teil des Aufzugs bestand dabei aus dem organisierten Block des Antifa-Bündnisses. Mit einem eigenen Fronttransparent, einem Hochtransparent sowie vielen Seitentransparenten wurde dem Block dabei ein kämpferisches Aussehen verliehen. Auch ein eigener Lautsprecherwagen sorgte für die deutliche Vermittlung der Bündnisforderungen und Ziele. Auf dem Weg kam es zu keinen größeren Zwischenfällen, einzig ein paar Rauchtöpfe wurden gezündet.
Im Nachgang teilte die Polizei Offenburg in einer Pressemitteilung mit, das es sich dabei zwar um einen Auflagenverstoß gehandelt hätte, sie aber aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht eingeschritten seien. Bei der Ankunft der Demonstration auf dem Vorplatz der Oberrheinhalle kam es dann zu ersten kleineren Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Gegendemonstrant*innen. Laut Polizei sei es verboten, Transparente über die Absperrgitter zu hängen. Dieses angebliche Verbot versuchten mehrere Einsatzkräfte durchzusetzen, indem sie die Demonstrant*innen zurückschubsten und die Banner wieder auf die andere Seite der Absperrung beförderten.

In mehreren Reden thematisierten unter anderem Sprecher*innen von SPD, Grünen und Die Partei die demokratiefeindliche Ausrichtung der AfD, die sich vor allem in Baden Württemberg immer weiter für rechtsextreme Inhalte öffnen würde. Auch das Antifa-Bündnis hielt einen Redebeitrag auf der Bühne, in dem sowohl die vorherigen Parteien inhaltlich kritisiert wurden, als auch zur Teilnahme an der nachfolgenden Demonstration durch die Stadt aufgerufen wurde. Inhaltliche Kritik an den bürgerlichen Parteien war auch auf mehreren Hochtransparenten sichtbar.

Antifa-Demonstration und Polizeigewalt

Gegen 13:20 Uhr zog dann eine angemeldete Demonstration des Antifa-Bündnisses in Richtung Innenstadt. Die Demonstrant*innen starteten allerdings etwa 10 Minuten vor dem angemeldeten Start, was die Polizei im Nachgang als eines ihrer Hauptargumente für die nachfolgende Eskalation anführen sollte. Bereits nach 50 Metern stellten sich 3 Polizist*innen vor die Demonstration und versuchten diese dadurch aufzuhalten.
Die Teilnehmer*innen drückten gegen die Polizeikette, woraufhin sich die Beamt*innen rückwärts bewegten und somit den weiteren Weg freigaben. Einige Meter weiter sprangen dann weitere Beamt*innen vor den Demonstrationszug und schlugen mit Schlagstöcken und Fäusten gezielt in Richtung der Köpfe der Demonstrant*innen. Auch Tritte in den Bauchbereich waren dabei zu beobachten.

Bild: Armilla Brandt

Nachdem die Versammlung hierbei abermals die Polizeikette durchbrach, liefen die Beamt*innen ohne weiteres Eingreifen mehrere hundert Meter mit, bis die Demonstration durch bis zu 6 Reihen Bereitschaftspolizist*innen mit Helmen durch massiven Gewalteinsatz zum Stehen gebracht wurde. Als Reaktion auf diese Situation wurde aus der Versammlung heraus ein Feuerlöscher in Richtung der Beamt*innen entleert. Mindestens 2 Polizist*innen wurden bei dieser Situation verletzt, die Polizei sprach im Nachgang aber von 20. 

Stundenlanger Polizeikessel bei einstelligen Temperaturen

Trotz andauernder Versuche der Anmelder*innen und Versammlungsleitungen, mit der Polizei zu verhandeln, wurde die Demonstration bereits nach wenigen Minuten zu großen Teilen von der Polizei eingekesselt. Vor Ort unterbreiteten die Anmelder*innen der Polizei sogar das Angebot, die Versammlung zu beenden und friedlich den Platz zu verlassen. Die Polizei ignorierte dieses Angebot, behauptete aber im Nachgang in ihrer Pressemitteilung, die Organisator*innen seien nicht gesprächsbereit gewesen.

Bild: Armilla Brandt

Gegen 14:30 Uhr wurde dann allen Personen innerhalb des Kessels über einen Lautsprecherwagen der Polizei angekündigt, dass diese nun einer Identitätsfeststellung zugeführt werden würden. Die Identitätsfeststellungen dauerten bis etwa 20:30 Uhr. Die Polizei durchsuchte jede Person einzeln, fertigte Bilder- und Videoaufnahmen von ihnen an und schrieb Anzeigen mit dem Anfangsverdacht des Landfriedensbruchs sowie Platzverweise gegen alle Teilnehmenden. Gegen eine kleinere Gruppe Teilnehmenden wird laut Eigenaussage der Polizei noch wegen weiteren Straftaten ermittelt. Die Personen rund um den Kessel, die nicht von der Maßnahme betroffen waren, zeigten sich durchgehend solidarisch mit den Betroffenen und versorgten diese mit Getränken, Pizza und Wärmedecken.

Pressefeindlichkeit

Während des gesamten Einsatzes kam es immer wieder zu Griffen in die Kameras von Journalist*innen, sowie dem gezielten Abfilmen dieser durch Polizeibeamt*innen. Ebenfalls wurde rund um den Polizeikessel eine Art „No-Go Area“ für Journalist*innen abgesperrt, wodurch die freie Berichterstattung massiv behindert wurde. Mehrfach wurden Pressevertreter*innen gezielt durch die Polizei geschubst oder beleidigt.

Verlorene Akten

Nach den Protesten in Offenburg wurde auf der Plattform „Indymedia“ ein 36-seitiges Verschlussdokument der Polizei zum Einsatz veröffentlicht. Darin enthalten waren unter anderem die Namen und Telefonnummern von unzähligen eingesetzten Polizist*innen, sowie einem Anmelder der verschwörungsideologischen Partei „Die Basis“. Auch verschiedene Codewörter, welche in Verbindung mit dem Einsatz genutzt wurden, waren im Dokument zu finden.

Bild: Armilla Brandt

Für größere Diskussionen sorgte das Codewort „Barbarossa“, welches für Zivile Einsatzkräfte der Polizei innerhalb der Demonstration diente. Verschiedene Gruppierungen und Organisationen warfen daraufhin der Polizei vor, damit Parallelen zur „Operation Barbarossa“ einem Schlachtplan Nazideutschlands gegen die Sowjetunion schaffen zu wollen. Die Linke Baden-Württemberg schreibt dazu auf ihrem Instagram Account mit klaren Worten: „Es stellt sich die Frage, ob die Polizei überhaupt noch auf dem Boden des Grundgesetzes steht“ und „Das Innenministerium braucht endlich eine klare Antwort auf die rechten Vorfälle in der Polizei“. Die Polizei Offenburg erklärte allerdings in einer Stellungnahme, dass sich das Codewort auf „Friedrich lll Herzog von Schwaben“ beziehe. Einem Kollegen wäre in den Sinn gekommen, dass dieser auch am 4. März 1152 zum römisch-deutschen König ernannt worden sei. Er hätte den Spitznamen Barbarossa geführt.

Hausdurchsuchungen im Nachgang

Am 15. März kam es in Verbindung mit der Veröffentlichung der Polizeiakten zu einer Hausdurchsuchung in Karlsruhe. Dabei stürmten mindestens 16 Polizist*innen, unter ihnen 11 bewaffnete Beamt*innen der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) mithilfe einer Ramme die Wohnung eines Beschuldigten und fesselten diesen sofort mit Kabelbindern auf seinem Bett. Bei der mehrstündigen Durchsuchung wurden laut dem „Offenen Antifaschistischen Treffen Karlsruhe“ alle elektronischen Geräte, Speichermedien, Werkzeuge und ein Sportgerät beschlagnahmt. Der Betroffene wurde nach der Durchsuchung in Handschellen auf die Wache gebracht, wo er einer Erkennungsdienstlichen Maßnahme unterzogen wurde.

LZO Redaktion

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