CSD Freiburg – Anzeige gegen Journalistin8 Minuten Lesezeit

Am 24. Juni fand in Freiburg der Christopher Street Day statt. Mit laut Organisator*innen 23.000 Menschen beteiligten sich mehr als jemals zuvor an der Parade für Vielfalt und gegen Diskriminierung. Am Rand kam es schließlich zu einem brutalen Polizeieinsatz und massiver Einschränkung der Pressefreiheit. Das Material einer Journalistin wurde beschlagnahmt.

Brutaler Polizeieinsatz beim CSD

Der CSD neigte sich dem Ende entgegen, der Aufzug kam auf dem Stühlinger Kirchplatz an, wo als Abschluss eine stationäre Kundgebung stattfand. Bis dahin verlief die Demonstration friedlich und ohne Vorfälle.
Am Rand der Abschlusskundgebung kam es dann zu beleidigenden Äußerungen eines Passanten. Mehrere Personen, die sich dem entgegenstellten, wurden von der Polizei in eine Maßnahme genommen. Die Polizist*innen wendeten teils massiv Gewalt gegen die Teilnehmer*innen des CSD an, der Passant konnte nach bisherigen Informationen ohne Aufnahme von Personalien gehen.
Einer Person in der Maßnahme wurde Körperverletzung vorgeworfen, einer anderen die Verweigerung der Personalien. Außerdem soll sich die Person gegen den polizeilichen Einsatz gewehrt haben, weshalb ebenfalls der Vorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte im Raum steht.

Eine dritte Person, die lautstark gegen die Festnahme der zwei Personen protestierte, wurde schließlich ebenfalls festgenommen. Vorwurf: versuchte Gefangenenbefreiung. Auch diese Festnahme fand gewaltvoll statt. Zwei Personen waren verletzt und bluteten, während sie mit dem Kopf auf den Boden gedrückt wurden. Obwohl schnell ersichtlich war, dass ärztliche Hilfe benötigt wird, kam es erst deutlich später zur Versorgung der Verletzten.

Bild: Armilla Brandt

Einschränkungen der Pressearbeit

Die Freie Journalistin Armilla Brandt begleitete den CSD und bekam den polizeilichen Einsatz bei der Abschlusskundgebung mit. Sie dokumentierte die teils brutalen Festnahmen, die gegen 21:23 Uhr starteten. Gegen 21:28 drohte die Polizei ein erstes Mal, die Aufnahme der Journalistin als Beweismittel zu beschlagnahmen. Daraufhin wurde der Presseausweis vorgezeigt. Zwar konnte die Journalistin nun weiter dokumentieren, wurde jedoch weiter von der Maßnahme weggebracht und dort von zwei Polizist*innen bewacht.
Ein Polizist sagte sinngemäß „notfalls beschlagnahmen wir halt ihre Kamera“, sollte sie nicht das machen, was die Polizei sage.

Um 21:44 Uhr wurde die Journalistin dann selbst in eine polizeiliche Maßnahme genommen und sollte sich erst zu den ehemaligen Teilnehmer*innen des CSD in die Maßnahme stellen. Ohne Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft wollte die Polizei die Kamera der Journalistin beschlagnahmen. Armilla Brandt wies darauf hin, dass die Beschlagnahmung ohne Beschluss der Staatsanwaltschaft keine rechtliche Grundlage habe. Daraufhin wurde eine Staatsanwältin kontaktiert, die sich laut Aussage von Polizist*innen vor Ort jedoch erst einlesen müsse, da sie bisher nicht mit dem Thema konfrontiert gewesen sei.

Noch eine weitere Person landete in einer polizeilichen Maßnahme, da diese der Journalistin einen Ersatz-Akku für die Kamera aus dem Rucksack der Journalistin brachte, der einige Meter neben der Maßnahme stand. Selbst durfte sie nicht zum Rucksack laufen.
Die Polizist*innen dachten wohl, dass eine SD-Karte übergeben worden sei und durchsuchten die Person als Zeuge und nahmen die Personalien auf.

Schließlich wurde die Entscheidung der Staatsanwältin mündlich übermittelt. Diese ordnete die Beschlagnahmung der Kamera und SD Karte an. Die Journalistin konnte nach Rücksprache mit der Polizei erwirken, dass diese nur das Material und nicht das gesamte Equipment beschlagnahmen, was eine Verhinderung der journalistischen Arbeit in mindestens den nächsten Wochen bedeutet hätte.

Anzeige gegen Journalistin

Gegen 23:05 Uhr wurde Armilla Brandt auf die Wache gefahren, wo sie 23:15 Uhr ankam. Dort wurde das Videomaterial der Maßnahmen kopiert. Die Beschlagnahmung der Kamera und der SD-Karte konnte verhindert werden.
Die Polizist*innen auf der Wache sichteten das Videomaterial gemeinsam und kamen darauf, dass sie die Journalistin wegen Aufnahme des nicht öffentlich gesprochenen Wortes anzeigen könnten. Das nicht öffentlich gesprochene Wort sollen Gespräche während der polizeilichen Maßnahme, in der sich die Journalistin befand, sein, die im Videomaterial zu hören waren.
Neben der Anzeige wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes bekam Armilla Brandt eine Anzeige wegen Strafvereitelung.
Grund dafür: die Journalistin legte Widerspruch gegen die Beschlagnahmung ein und ließ diesen protokollieren. Ihr wurde kommuniziert, dass die Anzeige wegen Strafvereitelung zurückgezogen werde, sollte sie ihren Widerspruch zurückziehen.
Dem kam die Journalistin nicht nach.

Nachdem die Beamten auf der Wache eine Kopie des Personalausweises angefertigt hatten, konnte die Journalistin kurz nach Mitternacht die Polizeiwache verlassen.
Die gesamte Maßnahme, die Beschlagnahmung und die Anzeigen gegen die Journalistin stellen einen massiven Angriff auf die Pressefreiheit in Deutschland dar.

„Ich bin einfach meiner Arbeit nachgegangen und habe den polizeilichen Einsatz dokumentiert. Wenn allein meine journalistische Tätigkeit schon eine strafbare Handlung darstellt, dann können wir die Pressefreiheit endgültig begraben“, so Armilla Brandt.
Bereits am 8. März wurde sie von der Polizei in Karlsruhe festgenommen und aufgrund fadenscheiniger Begründungen angezeigt.
Immer wieder kommt es insbesondere gegenüber jungen Journalist*innen zu massiven Einschränkungen ihrer Arbeit.

Auf dem CSD ist es außerdem noch zu einem weiteren mutmaßlich queerfeindlichen Vorfall gekommen. Personen die sich dagegen gewehrt haben sollen, wurden ebenfalls kurzzeitig festgenommen.
Auch hier soll der Passant ohne polizeiliche Maßnahme davon gekommen sein.
Zusätzlich zur Nicht-Verfolgung von queerfeindlichen Vorfällen waren die eingesetzten Polizist*innen nicht in der Lage respektvoll mit trans* Personen in der polizeilichen Maßnahme umzugehen.
Der Deadname einer Person wurde laut in die Menge gerufen, dies ist nicht nur gewaltvoll gegenüber der Person, sondern auch aus datenschutzrechtlicher Perspektive bedenklich. Insgesamt wirkten die Polizist*innen überfordert mit trans* Personen und das obwohl sie auf dem CSD eingesetzt waren.

Redaktioneller Hinweis

In einer vorherigen Version hieß es, beim ersten Vorfall seien queerfeindliche Beleidigungen geäußert worden. Nach Hinweisen von mehreren Personen sollen die Beleidigungen jedoch nicht queerfeindlich gewesen sein, weshalb der Satz korrigiert wurde.

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qasio
qasio
3 Monate

Absolut inakzeptabel. Ist der Fall den Gewerkschaften schon bekannt? Da sollte Unterstützung kommen.

suave25
suave25
3 Monate

Und wir regen uns über Ungarn, Polen, Türkei und Russland auf. Und zuhause so eine Sauerei.

CSD Freiburg
CSD Freiburg
3 Monate

Liebe Queers und Allies und bunte Unicorns!
Danke für das tolle Fest mit euch! Wir haben es sehr genossen, mit euch so sichtbar auf die Straße zu gehen – und gemeinsam für unsere Rechte aufzustehen.

Leider haben wir auch von (polizeilicher und anderer) Gewalt gehört – wir möchten Betroffene mit den uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten unterstützen. Meldet euch bitte bei uns, wenn ihr am oder im Umfeld (z.B. Nachhauseweg) des CSD von Übergriffen betroffen wart.
Wir sind noch dabei Informationen zu sammeln und werden uns dann wieder mit einer Einschätzung melden.

Ein ausführlicheres Statement wird folgen.

Bis dahin – be proud, stay loud – the first pride was a riot!
Eure Freiburger CSD-Orga <3