„No Compact“ – Gegenprotest verhindert rechten Aufmarsch15 Minuten Lesezeit

Am 26. November wollte das extrem rechte Compact-Magazin eine Demonstration unter dem Motto „Ami go home“ in Leipzig durchführen. Mehrere Sitzblockaden des antifaschistischen Gegenprotests stoppten den rechten Aufzug nach wenigen hundert Metern.


Monatelang mobilisierten verschiedene Akteure der verschwörungsideologischen und rechten Szene zur „Großdemonstration“, die für 15.000 Teilnehmer*innen angemeldet wurde. Die Demonstration vor dem US-Konsulat in Leipzig sollte den Höhepunkt einer „Ami go home“ Kampagne, organisiert durch das extrem rechte Compact-Magazin, darstellen. Überregionale Demonstrationen, wie die rechte Demonstration am 12. November in Erfurt (unser Bericht), dienten teilweise zur Mobilisierung für die „Ami go home“-Demonstration.

Die Kampagne dient dem Compact-Magazin auch dazu, ihre Reichweite zu erhöhen. So wurden im Shop des Magazins beispielsweise Fahnen und Mobilisierungsmaterial verkauft. Auf den Demonstrationen liefen mehrere Personen mit Stapeln an Compact-Magazinen herum, um diese an die Teilnehmer*innen zu verkaufen.
Nach eigenen Angaben investierte das rechtsextreme Magazin insgesamt 25.000 Euro in die Kampagne.

Bild: Dani Luiz
v.l.n.r. Christian Klar, André Poggenburg, Frank Haußner und Marcus Fuchs


Zur Planung der angekündigten Großdemonstration dienten zwei Szenetreffen in Stößen auf dem Rittergut des ehemaligen Vorsitzenden der AfD Sachsen-Anhalt André Poggenburg. Hier vernetzten sich Akteure aus ganz Mitteldeutschland.
Neonazi Christian Klar aus Gera, Frank Haußner von den „Patrioten Ostthüringen“, Jürgen Elsässer, Chefredakteur des Compact-Magazins, die „Freien Sachsen“ und Teile der AfD hatten sich unter anderem bei diesen Treffen vernetzt und traten beispielsweise bei rechten Demonstrationen am 3. Oktober in Gera und ebenso in Erfurt am 12. November gemeinsam auf. Bei diesen Demonstrationen hielten auch Björn Höcke, Landesvorsitzender der AfD Thüringen, und Martin Kohlmann, Gründer der „Freien Sachsen“, Redebeiträge.
Die Vernetzung der verschiedenen verschwörungsideologischen und rechten Gruppen, die seit Monaten montags Proteste organisieren, reicht weit über die gemeinsam veranstalteten Demonstration hinaus.

15 Hundertschaften im Einsatz

Aufgrund der angekündigten 15.000 Teilnehmer*innen, plante die Polizei den größten Polizeieinsatz des Jahres 2022. Die Polizei war mit knapp 1.500 Kräften im Einsatz. Die Leipziger Polizei wurde dabei von mehreren Hundertschaften der sächsischen Bereitschaftspolizei sowie von Kräften aus Bayern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und der Bundespolizei unterstützt.
Große Teile der Innenstadt, besonders Straßen der geplanten Aufmarschroute, wurden mit Hamburger Gittern abgesperrt. Zwei Wasserwerfer und ein Räumpanzer parkten in einer Seitenstraße am Simsonplatz.

Reichsfahnen und Hitlergruß

Den Auftakt des Nachmittags bildete eine rechte Zubringerdemonstration, die durch den ehemaligen NPD-Kader Volker Beiser angemeldet wurde. Insgesamt etwa 60 Personen fanden sich in der Nähe des Hauptbahnhofs ein, um von dort zur Auftaktkundgebung auf dem Simsonplatz zu ziehen.
Neben einem Frontbanner mit der Aufschrift „Politiker weg – Souverän her!“ und Reichsfahnen trugen die Teilnehmer*innen Russlandfahnen und umgedrehte Deutschlandfahnen. Mehrere Neonazis hatten Kleidung von „Kategorie C“ oder Thor Steinar an.

Bild: Dani Luiz


Als die Zubringerdemonstration am Simsonplatz ankam, hatten sich dort bereits wenige hundert Personen versammelt.
Die Redebeiträge bei der Kundgebung am Simsonplatz wurden unter anderem von Jürgen Elsässer, Stefan Hartung (Freie Sachsen), André Poggenburg (Ex AfD), Christian Klar (Neonazi aus Gera), Marcus Fuchs (Querdenken Dresden) und Frank Haußner (Patrioten Ostthüringen, Freies Thüringen) gehalten.

Außerdem waren mehrere Bekannte der Szene vor Ort. So unter anderem der rechte Unternehmer Peter Schmidt aus Gera, der eng mit der AfD und den Organisatoren der rechten Montagsproteste in Thüringen in Verbindung steht.
Erst kürzlich berichtete die Zeit über seine Rolle im Protestgeschehen in Thüringen.
Auch der Neonazi Michael Brück (ehemals „Die Rechte“, jetzt „Freie Sachsen“) war vor Ort und fertigte Videomaterial für die „Freien Sachsen“ an.
Mehrere Journalist*innen berichteten außerdem von einem Hitlergruß eines Teilnehmers.

Antifaschistischer Gegenprotest

Bereits Wochen vor dem geplanten rechten Aufmarsch kündigte sich antifaschistischer Gegenprotest an. Das zivilgesellschaftliche Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ rief zu Protesten unter dem Motto „No Compact – Elsässer go home“ auf. Um 14 Uhr starteten drei Zubringerdemonstrationen in die Innenstadt.
Am Connewitzer Kreuz versammelten sich hunderte Personen, um gegen den Aufmarsch des Compact-Magazins zu demonstrieren.
Am Endpunkt der Demonstration am Neuen Rathaus drohte das bayrische USK mit Schlagstöcken und Pfefferspray. Die Polizei wollte verhindern, dass die Gegendemonstrant*innen auf die geplante Aufmarschstrecke gelangen.

Bild: Dani Luiz


Trotz Hamburger Gitter und zahreicher schwergewaffneter Polizeikräfte setzten sich hunderte Antifaschist*innen unter anderem in der Friedrich-Ebert-Straße auf die Straße und blockierten so die Route, auf der die rechte Demonstration stattfinden sollte.
Bei den Sitzblockaden kam es teils zu massiver Polizeigewalt. Einem Demonstranten wurde die Hand gebrochen. Ihm hatten die Beamt*innen Beleidigung vorgeworfen.
Aufgrund verschiedener Vorwürfe führte die Polizei erste Maßnahmen durch.

Bild: Dani Luiz

Aufmarsch durch Blockaden gestoppt

Die erste Sitzblockade auf der geplanten Aufzugsstrecke wurde durch die Polizei geräumt. Dabei wendeten die Beamt*innen Schmerzgriffe an und fügte mehreren Gegendemonstrant*innen leichtere Verletzungen zu. Bei einem Demonstrant wurde später ein gebrochenes Handgelenk diagnostiziert.

Bild: LZO


Obwohl in der Friedrich-Ebert-Straße eine weitere deutlich größere Spontanversammlung die Route blockierte, startete der rechte Demonstrationszug kurz nach 18 Uhr und lief vom Simsonplatz bis etwa 200 Meter vor die Blockade, wo die Polizei den Aufzug stoppt.
Die Räumung der antifaschistischen Blockade wäre laut Polizei „unverhältnismäßig“ gewesen und hätte aufgrund der Menge an Antifaschist*innen viel Zeit benötigt.
Zudem waren die Seitenstraßen ebenfalls durch Sitzblockaden blockiert, teilweise brannten Barrikaden, die den Weg versperrten und so ein Ausweichen auf eine andere Route verunmöglichten.

Bild: Dani Luiz


Die Teilnehmer*innen der rechten Demonstration riefen „Straße frei!“. Teilweise kam es zu Auseinandersetzung zwischen rechten Medienaktivisten und Teilnehmer*innen des Gegenprotests.

Bild: Dani Luiz


Am Rande einer Sitzblockade wurde ein Demonstrant von einem Autofahrer angefahren. Grünen Stadtrat Jürgen Kasek sprach in einem Tweet von „versuchtem Totschlag und gefährlicher Körperverletzung“. Laut Berichten von Betroffenen handelte sich es beim Autofahrer um den Altenburger Gebhard Berger, der in der lokalen verschwörungsideologischen Szene aktiv sei.
Den Berichten der Betroffenen nach, sei er nach einer Auseinandersetzung mit hoher Geschwindigkeit auf mehrere Menschen zugefahren. Ein Demonstrant sei angefahren worden, wurde aber nicht verletzt.

Nachdem die rechte Demonstration von den Organisator*innen für beendet erklärt wurde, mussten die Teilnehmer*innen umkehren und zurück zum Simsonplatz laufen. Dort wurde in direkter Nähe zu den Menschenmengen ein nicht genehmigtes Feuerwerk gezündet.

Bild: Dani Luiz

Einschränkungen der Pressefreiheit

Während des gesamten Versammlungsgeschehens kam es mehrfach zu Angriffen auf Journalist*innen und Einschränkungen der Pressefreiheit. An Polizeiketten unter anderem der Bundespolizei und des bayrischen USK wurde der Begleitschutz von mehreren Journalist*innen nicht durchgelassen, sie hätten ja keine Presseausweise. Ohne Begleitschutz auf rechten Demonstrationen sind Journalist*innen oft massiven Anfeindungen und körperlichen Angriffen ausgesetzt. Die Polizei kann nur selten ausreichend Schutz für die Journalist*innen ermöglichen, was den Einsatz von Begleitschützer*innen nötig macht.
Durch das Aufhalten des Begleitschutzes werden besonders bei solchen großen Demonstration vor allem freie Journalist*innen, die aufgrund ihrer Arbeit im Fadenkreuz von Neonazis stehen, bewusst einer massiver Gefahr ausgesetzt.
Nach Kontaktaufnahme mit der Polizeipressestelle konnten die Situationen meistens gelöst werden.
An einer Polizeikette schubsten jedoch mehrere Beamte ein*e Journalist*in und drohten mit Gewalt. Auch hier wollten die Polizist*innen den Begleitschutz nicht durch die Kette lassen.

Die Gefahr ging jedoch besonders auch von den Teilnehmer*innen der rechten Demonstration aus. Diese blendeten Journalist*innen mit Taschenlampen und behinderten durch das Verdecken von Kameras die Pressearbeit.
Außerdem kam es zu tätlichen Angriffen: ein Journalist wurde getreten und ein anderer durch Teilnehmer*innen geschubst.
Nicht erst bei dieser Demonstration zeigte sich die Pressefeindlichkeit der verschwörungsideologischen Szene.

Rechte Demonstration wird zum Desaster

Für die Organisator*innen der rechten Demonstration stellte dieser Tag ein Desaster dar. Statt angemeldeter 15.000 Teilnehmer*innen beteiligten sich nur knapp 1.000 Menschen an der „Ami go home“-Demonstration.
Nach wenigen hundert Metern musste der rechte Aufzug aufgrund konsequenten Gegenprotests umkehren.
Leipzig bleibt ein schweres Pflaster für rechte Aufmärsche.

Bild: Dani Luiz

Dani Luiz

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