Lautstarker Protest gegen faschistischen Opfermythos8 Minuten Lesezeit

Jedes Jahr am 23. Februar ruft der extrem rechte Verein „Freundeskreis ein Herz für Deutschland e.V.“ zu einer Fackelmahnwache auf dem Pforzheimer Wartberg auf. Anlass dafür ist der Jahrestag der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg. Jährlich wird die rechte Kundgebung von antifaschistischem Gegenprotest begleitet.

Bild: Armilla Brandt


Am 23. Februar 1945 um 19:50 begann ein 22-minütiger Luftangriff Alliierter Bomber auf die Goldstadt Pforzheim. Dabei wurden rund zwei Drittel der Stadt komplett zerstört, 18.000 Menschen starben. Anlass für die Bombardierung war eine massive Unterstützung der Stadtgemeinschaft gegenüber den Nationalsozialist*innen sowie die dort zuvor stationierte Waffenindustrie, welche hauptsächlich durch Uhrmacher*innen und Kunstschmiede aufrecht erhalten wurde.

Polizei stoppt Gegendemonstration

Die Demonstration sammelte sich gegen 18:00 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz, wo sie sich nach zwei Redebeiträgen aufstellte, um als angemeldeter Demonstrationszug auf den Wartberg zu ziehen. Bereits während sich der Aufzug formierte, zeigte sich, wie penibel die Polizei in diesem Jahr die Versammlungsauflagen durchsetzen würde. Die Demonstration konnte nicht wie geplant laufen, da einige Fahnenstangen angeblich zu lang wären.
Außerdem folgte eine Durchsage, dass auch Seitentransparente durch die Versammlungsauflagen verboten wären. Mit diesen Auflagen wollten die Organisator*innen ihre Versammlung nicht durchführen und beendeten diese, um stattdessen in Kleingruppen auf den Berg zu ziehen. In einer kurzen Durchsage teilten sie mit, dass die Polizei keinerlei Interesse hätte, die Demonstration dieses Jahr überhaupt loslaufen zu lassen. 

Bild: Armilla Brandt


Die Versammlung löste sich also noch vor dem Demonstrationszug auf und Kleingruppen verließen den Platz in Richtung Wartberg. In schnellem Tempo setzte sich eine größere Gruppe Demonstrant*innen durch den Bahnhof hindurch in Bewegung und startete auf der anderen Seite des Bahnhofes eine Spontandemonstration. Diese lief gänzlich ohne Polizeibegleitung etwa die Hälfte der etwa 1,5 Kilometer Strecke den Berg hinauf und sammelte dabei immer wieder weitere Teilnehmer*innen an.
Ein großer Teil der Gegendemonstrant*innen erreichte so den Treffpunkt am Hotel Hasenmayer gemeinsam. Von dort ging es dann nach einer kurzen Rede direkt die letzten 300 Meter bis zu den Absperrgittern der Polizei den Berg hinauf.

Bild: Armilla Brandt

Im letzten Jahr kam es an dieser Stelle zu massiver Polizeigewalt, was laut den Demosanitätsgruppe Süd-West mehr als 60 verletzte Gegendemonstrant*innen zur Folge hatte. Anders als viele Teilnehmer*innen erwarteten, verhielt sich die Polizei dieses Jahr aber deutlich zurückhaltender, sodass es insgesamt ruhig blieb. Etwa 50 Antifaschist*innen nutzten diese Ruhe, um eine Polizeiabsperrung zu umgehen und somit an einen Punkt direkt unterhalb der angemeldeten Kundgebungsfläche des FHD zu gelangen. Die Polizei ließ dies geschehen und hielt sich auch weiter an ihre zurückhaltende Taktik.

Angriff auf Pressevertreterin

Als eine Journalistin versuchte, über eine Wiese zur Polizeiabsperrung zu gelangen, stellte sich ihr ein Polizist der Hundestaffel entgegen. Trotz vorgezeigtem Presseausweis schrie er sie an und ließ immer wieder seinen Hund vorschnellen. Selbst als sich die Journalistin wieder zurückzog, verfolgte sie der Polizist weiter. Der Hund war dabei teilweise nicht weiter als 30 Zentimeter von den Beinen der Journalistin entfernt. 

Bild: Armilla Brandt

Fackeln und Opfermythos

Auf dem Versammlungsgelände des rechtsextremen „Freundeskreis ein Herz für Deutschland e.V.“ versammelten sich etwa 40 Personen, um der jährlichen Fackelmahnwache beizuwohnen. Unter ihnen, neben diversen alten Kadern der neonazistischen Szene, neurechte Aktivisten der „Pforzheim Revolte“.
Die Teilnehmer*innen entzündeten ihre Fackeln und stellten sich dann entlang des Gitters auf, um ihre Schweigeminute abzuhalten.

Erfolgreicher Gegenprotest

Nach Ende der rechten Kundgebung, zogen die Antifaschist*innen gemeinsam den Berg hinunter bis zum Bahnhof und setzten nochmal ein deutliches Zeichen gegen den rechten Opfermythos in der Goldstadt. Die Polizei hielt sich auch hierbei wieder sichtlich zurück und ließ ließ die Demonstration trotz Pyrotechnik ziehen.


Der Protest in Pforzheim in diesem Jahr war einer der effektivsten Proteste in den letzten Jahren. Die Neonazis konnten aktiv bei ihrer Mahnwache gestört werden. Immer wieder rief der Gegenprotest Demosprüche in Hörweite und zündete Feuerwerk. Seit Jahren werden rechte Strukturen und Gruppierungen in Pforzheim und Umgebung immer stärker. Die AfD erzielte hier Wahlergebnisse, die eher an ostdeutsche Verhältnisse erinnern. Umso stärker war das Zeichen, das die Gegendemonstrant*innen an diesem Tag setzten.

LZO Redaktion

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