„Deutschland zuerst!“ – rechte Demonstration in Erfurt12 Minuten Lesezeit

Am 12. November fand in Erfurt eine Großdemonstration von extremen Rechten unter dem Motto „Deutschland zuerst“ statt. Unterschiedliche Akteur*innen der Szene hatten zum Protest aufgerufen. Darunter unter anderem die „Freien Sachsen“, „Freies Thüringen“, das „Compact-Magazin“ und die AfD.

Bild: Dani Luiz
Ausführliche Bilddokumentation von Dani Luiz auf Flickr


Mit 2.000 Personen versammelten sich deutlich weniger als die 10.000 angemeldeten Teilnehmer*innen ab 15:30 Uhr vor dem Thüringer Landtag zur Auftaktkundgebung. Hier redeten verschiedene bekannte Größen der rechten und verschwörungsideologischen Szene. Beispielsweise trat Jürgen Elsässer, Chefredakteur des rechtsradikalen Compact Magazins, auf und forderte unter anderem Frieden mit Russland. Er rief außerdem dazu auf, dass sich verschiedene Gruppen von „Patrioten bis aufgeweckten Linken“ vereinen müssten, um gemeinsam das System zu stürzen. Zum Abschluss mobilisierte er zur nächsten Großdemonstration nach Leipzig. Hier wollen unter dem Motto „Ami go home“ tausende Verschwörungsideolog*innen und Rechte am 26. November vor dem US-Konsulat demonstrieren. Breiter Gegenprotest hat sich bereits angekündigt (beispielsweise ruft das zivilgesellschaftliche Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ unter dem Motto „No Compact“ zum Protest auf).

Bild: Dani Luiz


Elsässer verharmloste den Angriffskrieg Russlands und meinte die Bundesregierung begebe sich auf die „Spuren der Wehrmacht“, indem sie Waffen an die Ukraine liefere. „Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Nein, er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus“, zitierte Jürgen Elsässer. Sarah Wagenknecht (Die Linke) habe Recht mit ihrer Aussage, Deutschland habe die „dümmste Regierung der Welt“.

Bild: Dani Luiz


Auch der kürzlich wegen Volksverhetzung verurteilte Martin Kohlmann („Freie Sachsen“) und der vorbestrafte Neonazi Christian Klar aus Gera hielten Redebeiträge. Der Mitteldeutsche Rundfunk veröffentlichen kürzlich einen Bericht über die Gruppen und Organisator*innen der rechten Demonstrationen in Thüringen. Neben den Redner*innen waren auch unter den Teilnehmenden zahlreiche bekannte Personen der extrem rechten Szene. Beispielsweise nahmen der Hallenser Neonazi Sven Liebich, Michael Brück (ehemals „Die Rechte“, jetzt „Freie Sachsen“), Frank Haußner (Patrioten Ostthüringen), Marcus Fuchs (Querdenken Dresden), Lutz Bachmann (Pegida) und auch der Landesvorsitzende der Thüringer AfD Björn Höcke am Aufzug teil. Letzterer hielt den abschließenden Redebeitrag der Auftaktkundgebung. Weitere Rechtsradikale beispielsweise ehemalige Mitglieder des „Thüringer Heimatschutzes“ und Abgeordnete der AfD waren ebenfalls unter den Teilnehmenden zu finden.


Rechte Symbole und Kleidungsstücke waren deutlich zu sehen. Dies reichte von AfD-Fahnen, Compact-Fahnen, Fahnen der „Freien Sachsen“, Westen der rechten Gewerkschaft „Zentrum Automobil“, bis hin zu Kleidungsstücken der Neonazi Marke „Ansgar Aryan“ oder Pullovern in Schwarz-Weiß-Rot. Außerdem trugen mehrere Personen ein Banner der „Aktion Solidarität“ mit der Aufschrift „Unser Volk zuerst – Autarkie – Souveränität – Remigration“. Die „Aktion Solidarität“ ist eine Kampagne der rechtsradikalen Identitären Bewegung, die angesichts der Preissteigerungen ins Leben gerufen wurde.

Bild: Dani Luiz


Die Redebeiträge beinhalteten deutlich rechtes Gedankengut und hetzten meist gegen die aktuell amtierende Ampel-Regierung. Oft wurden dafür antisemitische Verschwörungserzählungen verwendet. Mehrere Redner, darunter Jürgen Elsässer und Yves Berlinghoff, redeten von der „Hochfinanz“, den „Marionetten“ oder bezeichneten die Regierung als „Bande, die den Staat in ihren Krallen hält“. Höcke sprach vom „Transhumanismus“ und der antisemitischen Verschwörungserzählung des „Great Reset“, der angeblich von den „Globalisten“ geplant sei.
Lautstark wurde auch der kürzlich beschlossene Antrag der Thüringer CDU-Fraktion bejubelt. Mit den Stimmen der AfD-Fraktion wurde ein Verbot von geschlechtergerechter Kommunikation im Parlament verabschiedet.
Die Redner hetzten durchgehend gegen „das Gendern“, die „Indoktrination“ der Jugend, die amtierende Regierung und meinten, Deutschland sei ein besetztes Land und müsse aus den „Fängen der USA“ befreit werden.

Bild: Dani Luiz


Wie Ostthüringen Divan auf Twitter berichtete, wurde von Teilnehmenden außerdem die SA-Parole „Deutschland erwache“ gerufen.
Im Anschluss an die Auftaktkundgebung ging es angeführt von Höcke und Haußner durch die Stadt. Mit Trommeln, Sirenen, Megaphonen und „Wir sind das Volk“-Rufen wurde eine ohrenbetäubende Geräuschkulisse erzeugt.

Gegenprotest blockiert die Route

Etwa 2000 Menschen protestierten gegen die rechte Demonstration. Am Rand kam es immer wieder zu spontanen Unmutsbekundungen teils durch Passant*innen und Anwohner*innen, aber auch durch Antifaschist*innen.
Die Meisten Gegendemonstrant*innen hatten sich jedoch dem Protest unter dem Motto „Gemeinsam auf die Plätze – Gegen den Rechtsruck auf Erfurts Straßen“ angeschlossen.


Mehrere Hundert Antifaschist*innen blockierten schließlich die geplante Demonstrationsroute der Rechten. Der Aufzug musste umgeleitet werden.
Die Polizei kesselte den Gegenprotest und wendete massive Gewalt an. Gegendemonstrant*innen wurden geschlagen und getreten, teils wurden auch Kundgebungsmittel zerstört.

Angriffe auf Journalist*innen

Bereits zu Beginn kam es bei der rechten Demonstration zu Drohungen und Angriffen auf Journalist*innen. Ein Journalist berichtete auf Twitter: „Ich werde mit voller Wucht von vorne in eine Treppe geschubst und kann mich glücklicherweise noch mit den Händen anfangen. Sonst wäre ich vermutlich mit dem Hinterkopf auf der Treppe aufgeschlagen.“ Polizei sei nicht vor Ort gewesen.
Einzelne Ordner*innen stellten sich außerdem vor Kameras, um die Dokumentation und journalistische Arbeit zu behindern. Vereinzelt wollten diese verbieten, die Versammlungsfläche zu betreten. Nachdem der Demonstrationszug losgelaufen war, wurden immer wieder Fahnen in die Kamera gehalten und so die Pressearbeit behindert.
Der Hallenser Neonazi Sven Liebich bedrängte einzelne Journalist*innen und beleidigte diese und den dazugehörigen Begleitschutz transfeindlich. Nachdem Liebich einen Journalisten an seiner Arbeit hinderte, griff die Polizei ein und hielt ihn zurück. Er bekam eine Gefährderansprache.

Bild: Dani Luiz


Einschränkungen der Pressearbeit gingen jedoch nicht nur von den Teilnehmer*innen der Demonstration aus. Ein Journalist wurde trotz mehrmaligem Vorzeigen des Presseausweises mehrfach von Polizist*innen geschubst und geschlagen. Die Beamt*innen griffen und schlugen außerdem gegen die Kamera. Ein massiver Angriff auf die Pressefreiheit.

Insgesamt lässt sich der Protest als ein Misserfolg für die extreme Rechte beschreiben. Deutlich weniger Teilnehmer*innen als erwartet und ein entschlossener Gegenprotest, der die Route blockierte. Trotz dessen kam es zu massiver Gewaltanwendung und nicht hinnehmbaren Angriffen auf die Pressefreiheit. Ob der Szene für den 26. November in Leipzig eine größere Mobilisierung gelingt, bleibt abzuwarten.

Videobeitrag zur Demonstration auf YouTube

Dani Luiz

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