Am Tag der Deutschen Einheit riefen verschiedene Akteur*innen zu insgesamt vier Demonstrationen in Gera auf. Neonazi Christian Klar meldete, wie schon im Vorjahr, eine Demonstration des rechten, rechtsextremen und verschwörungsideologischen Spektrums an. Zu den Redner*innen zählten unter anderem rechtsextreme Szenegrößen, wie Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer und Ex-AfDler André Poggenburg.

Das Aktionsbündnis “Gera gegen Rechts” rief zu einer Gegenveranstaltung unter dem Motto “Herz statt Hetze” auf. An dieser beteiligten sich ca. 100 Personen. Man wolle nach den Entwicklungen der letzten Jahre ein Zeichen für ein buntes, inklusives und weltoffenes Gera setzen, hieß es im Aufruf.
Mit einer Kunstaktion versuchte ein Einwohner Geras ebenfalls ein Zeichen gegen Rechts zu setzen. Aus Pappkartons und ausgedruckten AfD-Zitaten hatte der Geraer eine “Brandmauer gegen Rechts” gestaltet.

„Kämpfe verbinden – Repression überwinden“
Weitere 500 Personen nahmen an einer Demonstration der “Antifaschistischen Aktion Gera” teil. Unter dem Motto “Kämpfe verbinden – Repression überwinden” zog der Aufzug durch die Stadt. Später schlossen sich die Teilnehmenden teilweise dem Gegenprotest gegen den rechten Aufzug an.

Anlass für die Demonstration waren die Geschehnisse vom vergangenen 1.Mai in Gera (LZO berichtete). Am sogenannten “Arbeiter*innenkampftag” hatte die antifaschistische Gruppe ebenfalls eine Demonstration angemeldet. Diese wurde damals kurz nach Beginn durch die Polizei eingekesselt. Ganze 6 Stunden dauerte der Kessel an. Die Gruppe habe geplante Redebeiträge aufgrund der polizeilichen Maßnahmen nicht halten können, schrieb sie in den sozialen Medien. Außerdem sehen die Antifaschist*innen Parallelen zum Polizeikessel in Leipzig am sogenannten “Tag X” (LZO berichtete), der sich über 11 Stunden zog. Auch hier standen sanitäre Anlagen, Essen und Wasser nicht oder nur kurzweilig zur Verfügung.




Gegen 14 Uhr startete die Demonstration vor dem Geraer Hauptbahnhof und lief anschließend mehrere Stunden durch Gera. Auf einer Zwischenkundgebung an der Kunstschule wurden einige der Redebeiträge gehalten, die für den 1.Mai geplant waren. Zwischendurch wurde der Aufzug von Außenstehenden, mutmaßlichen Neonazis, abgefilmt und es kam zu vereinzelten Pöbeleien.
Am Endpunkt der Demonstration wurde eine Person in eine polizeiliche Maßnahme genommen und einer Identitätsfeststellung unterzogen.
Während Teile des Protests sich auf den Weg in Richtung Bahnhof begaben, zog der Rest weiter auf den Puschkinplatz, wo später auch die rechte Demonstration vorbeilaufen sollte.



SA-Parolen bei rechter Demonstration
Die rechte Demonstration zum „Tag der Deutschen Freiheit“ startete gegen 15:30 Uhr auf dem Parkplatz Hofwiesenpark. Dort standen zahlreiche Bierbänke und Stände unter anderem vom verschwörungsideologischen Sender „Auf 1“ und vom extrem rechten „Compact-Magazin“.
Aus verschiedenen Städten reisten Teilnehmende an. In der Spitze beteiligten sich laut Polizei 1.300 Personen am rechten Protest.
Vor einem Jahr hatten sich noch mehrere Tausend Personen beteiligt.


Nach verschiedenen Redebeiträgen, in denen die Organisatoren Christian Klar und Frank Haußner die SA-Parole „Alles für Deutschland“ verwendeten, startete die Demonstration ihren Aufzug gegen 17:30 Uhr. Laut Polizeimeldung wurde aufgrund der getätigten Aussagen im Nachhinein ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Aufgrund des eintreffenden Regens nahmen nur noch etwa die Hälfte der Teilnehmer*innen am Aufzug teil. Auch mehrere prominente Redner gingen vor Beginn des Aufzugs nach Hause, was für Unmut bei Teilen der Demonstrant*innen sorgte.
Der Aufzug zog begleitet von zahlreichen Trommel am Hauptbahnhof vorbei durch die Stadt, bedeckt von zahlreichen Regenschirmen und angeführt von einem martialischen Lastwagen im Camouflage-Look, auf dem Christian Klar mit einem „Schuldig“-Plakat posierte.

Am Puschkinplatz trafen schließlich die rechte Demonstration und der antifaschistische Gegenprotest aufeinander. Laut verschiedener Berichte hatte die Polizei Druck aus dem Innenministerium bekommen, Protest in Hör- und Sichtweite zu ermöglichen. Die Antifaschist*innen machten mit Parolen wie „Alle zusammen gegen den Faschismus“ ihre Ablehnung gegenüber der rechten und verschwörungsideologischen Demonstration deutlich.
Mehrere Rechtsradikale zeigten Hitlergrüße in Richtung des antifaschistischen Gegenprotests, was durch mehrere anwesende Journalist*innen sowie Foto- und Videomaterial bestätigt werden konnte.
Nachdem der Aufzug vorbeigezogen war, beendeten die Antifaschist*innen ihren Gegenprotest und zogen als spontane Demonstration zurück zum Hauptbahnhof, wo sich viele der Teilnehmenden mit dem Zug auf den Rückweg machten.
Einige Antifaschist*innen berichteten, dass die Polizei mehrere Personen mittels Karteien gesucht habe, die am 1. Mai in Gera an der linken Demonstration teilgenommen haben sollen.

Misserfolg für rechte Organisator*innen
Insgesamt kann der 3. Oktober 2023 als Misserfolg für die Organisator*innen der „Miteinanderstadt Gera“ rund um Neonazi Christian Klar betrachtet werden.
Im Gegensatz zum vorangegangenen Jahr nahmen deutlich weniger Menschen an der rechten Demonstration teil. Auch das Wetter führte dazu, dass nur noch die Hälfte der anwesenden Personen am Aufzug teilnahm.
Zusätzlich dazu gab es in diesem Jahr lautstarken Gegenprotest, der neben deutlichem Widerspruch auch eigene inhaltliche Akzente setzen konnte und mit etwa 500 Teilnehmer*innen als linke Demonstration ohne größere Zwischenfälle durch Gera zog.
Auch die Landespolizeiinspektion Gera zog ein positives Fazit, man habe einen insgesamt friedlichen und ruhigen Verlauf der Versammlungen ermöglicht. Wie die Polizei in einer Pressemeldung mitteilte, wurden insgesamt sieben Strafverfahren sowie neun Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Die Polizei ermittelt wegen Bedrohung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole sowie wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetzes.
