8. März in Karlsruhe – Journalistin in polizeilichem Gewahrsam6 Minuten Lesezeit

Während bundesweit tausende Menschen am 8. März auf die Straße gingen, um gegen Sexismus, sexualisierte Gewalt und die andauernde patriarchale Unterdrückung in der Gesellschaft zu demonstrieren, wurde in Karlsruhe am Rande einer feministischen Demonstration eine Journalistin von der Polizei in Gewahrsam genommen.

Die Demonstration verlief bis dahin ruhig, es kam zu keinen Auflagenverstößen und Hunderte brachten entschlossen ihre Forderungen auf die Straße. Armilla Brandt, freie Journalistin und Teil unseres Kollektivs, dokumentierte die Demonstration und begleitete routiniert den Protest. Aufgrund der Kälte trug sie eine Mütze und hielt die Ohren sowie ihren Hals bedeckt.
Aus dem Nichts wurde die Journalistin von der Polizei angesprochen, sie möge bitte ihre „Vermummung“ ablegen. Sie erklärte, dass sie erstens nicht vermummt sei und sie zweitens ihre journalistische Tätigkeit ausübe und somit nicht Teil der Demonstration sei. Daraufhin wollte der Polizist ihren Presseausweis sehen.
Sie zeigte ihren Presseausweis und der Beamte begann, ihre persönlichen Daten zu notieren. Auf Nachfrage erklärte er, dass sie jetzt in einer polizeilichen Maßnahme sei.

Ohne einen wirklichen Grund wurde die Journalistin hier massiv an ihrer Arbeit gehindert. Die Situation verschärfte sich weiter, als der Polizist versuchte, der Journalistin ihren Presseausweis aus der Hand zu nehmen, was sie nicht zulassen wollte und an diesem festhielt.
Nachdem der Polizist eine Weile in sein Funkgerät gesprochen hatte, erklärte er, dass die Journalistin deswegen nun auch noch eine Anzeige wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte bekäme, da das Festhalten des Presseausweises einen Widerstandsakt darstellen würde.
„Nach einer Weile brachten mich mehrere Polizist*innen zum nahegelegenen Polizeirevier. Auf dem Weg wurde ich teilweise getragen“, berichtete die Journalistin. Auf der Wache seien mehrfach ihre Sachen durchsucht worden. Außerdem führten die Polizist*innen eine Erkennungsdienstliche Behandlung inklusive Abnahme der Fingerabdrücke durch. Zusätzlich dazu wurde eine Beschlagnahmung des Handys angedroht, sollte die Journalistin nicht ein zuvor aufgenommenes Video der Polizei überspielen.
Die Journalistin entschloss sich schließlich der Polizei das Video auszuhändigen.
Nach insgesamt über 3 Stunden in Polizeigewahrsam konnte die Journalistin das Polizeirevier verlassen, die Demonstration war natürlich längst vorbei.
Neben ihr wurden auch drei Teilnehmer*innen der Demonstration durch die Polizei in Gewahrsam genommen. Auch hier wirkten die Begründungen dafür an den Haaren herbeigezogen. Die in Gewahrsam genommenen Teilnehmer*innen bekamen Anzeigen wegen des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamten.
Das „Offene Feministische Treffen Karlsruhe“ schrieb dazu auf ihrer Website: „Die Verbindung von Arbeitskämpfen mit feministischen Themen und die immer größer werdende Bewegung ist dem Staat offensichtlich ein Dorn im Auge. Deswegen wird versucht,  die Bewegung mit allen Mitteln anzugreifen, zu denunzieren und zu spalten.“

Bild: Armilla Brandt

„Anstatt mit Bildern der Demonstration kam ich am Mittwoch mit einer Anzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz nach Hause.“

Armilla Brandt, Freie Journalistin

Die Einschränkung der journalistischen Arbeit und die Kriminalisierung der Berichterstattung stellt einen massiven Eingriff in die Pressefreiheit dar. Ohne einen nachvollziehbaren Grund wurde die Journalistin an ihrer Arbeit gehindert und einer polizeilichen Maßnahme unterzogen.
Das respektlose Verhalten und die Kriminalisierung unserer Arbeit von Seiten der Polizei erleben wir leider immer wieder. „Als junge Journalist*innen werden wir oft nicht ernstgenommen, uns wird nicht geglaubt, dass wir journalistisch arbeiten“, so Armilla Brandt, Journalistin unseres Kollektivs, „auch wenn wir bisher viele Schikanen erlebt haben, so ist die willkürliche Ingewahrsamnahme von Journalist*innen ohne ersichtlichen Grund eine neue Stufe des pressefeindlichen Verhaltens von Behörden“.

Jörg Reichel, Geschäftsführer der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di Berlin-Brandenburg, kritisiert das Verhalten der Polizei am 8. März in Karlsruhe: „Die polizeilichen Maßnahmen gegenüber der Journalistin Armilla Brandt am 8.März 2023 haben jede Grenze überschritten“. Das Verhalten der Polizei sei auf Eskalation gegenüber der Journalistin ausgerichtet gewesen. Es gebe weder einen sachlichen Grund, einer Journalistin das Tragen von Kälteschutz bei 3 Grad als Vermummung auszulegen, noch einer ED Behandlung zu unterziehen.

„Polizeibeamte behindern regelmäßig bundesweit Presse und begehen Körperverletzungen im Amt gegenüber Journalist*innen. Wir bewerten den Vorfall als Behinderung von Pressearbeit und Pressefeindlichkeit. Wir fordern die Polizei Karlsruhe auf, ihr Verhalten kritisch aufzuarbeiten und die Polizeibeamt*innen in regelmäßigen Versammlungslagen in Presserecht zu qualifizieren.“

Jörg Reichel, Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union

LZO Redaktion

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