5 Jahre und 3 Monate für Lina E.10 Minuten Lesezeit

Am 31. Mai wurde nach fast 100 Verhandlungstagen das Urteil im Prozess gegen Lina E. und drei weitere Angeklagte durch das Oberlandesgericht Dresden gefällt. Lina E., die bereits seit über 2 Jahren in Untersuchungshaft sitzt, wurde wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu 5 Jahren und 3 Monaten Haft verurteilt. Die Mitangeklagten müssen ebenfalls mehrjährige Haftstrafen absitzen.

Bild: Dani Luiz

Der Prozess ist der wohl größte Prozess gegen Mitglieder der linke Szene in den letzten Jahren. Es geht dabei um mehrere Angriffe auf Neonazis, die die Angeklagten begangen haben sollen.Hintergründe zum Prozess finden sich zum Beispiel hier. Die Generalbundesanwaltschaft forderte 8 Jahre Haft für die mutmaßliche Anführerin Lina E. Die Verteidigung hatte in den meisten Anklagepunkten Freispruch gefordert. Unter den Unterstützer*innen der Leipziger Antifaschistin hatte sich schon lange „Free Lina“ als Botschaft verbreitet.

Bereits in der Vergangenheit gab es große Proteste mit teils tausenden Teilnehmer*innen in Solidarität mit den Angeklagten. Sowohl für den Tag der Urteilsverkündung als auch für den Samstag danach wurden schon lange im Voraus Demonstrationen angekündigt.

Aufrufe für den „Tag X“

Für den 3. Juni mobilisieren zahlreiche Gruppen zu einer autonomen Demonstration zum „Tag X“ nach Leipzig. Bereits im Sommer wurde der Protest am Samstag nach der Verkündung des Urteils angekündigt. Besonders nach dem Verbot der autonomen Demonstration im Oktober 2021 war klar, dass ein Verbot der „Tag X“ Demo möglich und wahrscheinlich ist. Am 30. Mai veröffentlichte die Versammlungsbehörde der Stadt Leipzig eine Allgemeinverfügung, die jede Demonstration in Zusammenhang mit dem Antifa-Ost-Prozess verbietet, die nicht bis zum 31. Mai angezeigt ist. Zudem verdichten sich die Hinweise, dass es zu einem Verbot der „Tag X“-Demo am 3. Juni kommen könnte. Mutmaßlich wurde der Anmelder der Demo am Dienstag telefonisch über ein Verbot informiert, eine Verbotsverfügung würde am Donnerstag folgen.

Bild: Dani Luiz

Wie die Leipziger Zeitung (LZ) berichtete, dementierte die Stadt Leipzig ein mögliches Verbot. Die Stadt, Anmelder und Polizei seien aktuell im Gespräch, stellte die Pressestelle auf Anfrage der LZ klar.
Bei einem Verbotsszenario rufen die linken Gruppen auf, trotzdem nach Leipzig zu kommen und sich trotz Verbot die Straßen zu nehmen. Kritiker*innen werfen der Versammlungsbehörde Leipzig außerdem die Einschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit vor. Trotz verschiedener militanter Aufrufe müsse der Schutz des Versammlungsrechts gewahrt werden, so die Kritik.

Proteste am Tag der Urteilsverkündung

Während im Oberlandesgericht Dresden das Urteil verkündet wurde, protestierten Unterstützer*innen der Angeklagten vor dem Gericht im Hammerweg. Es wurden verschiedene Redebeiträge gehalten und abgespielt. Auch ein Grußwort der Mütter der Angeklagten wurde verlesen.

Bild: Dani Luiz

Auch in Leipzig versammelten sich am Abend des Tags der Urteilsverkündung hunderte Menschen zu einer Demonstration, zu der die „Antifaschistische Vernetzung Leipzig“ unter dem Motto „Free them all!“ aufgerufen hatte. Im Aufruf der „Vernetzung unterschiedlicher undogmatischer und antiautoritärer Gruppen sowie Einzelpersonen“ heißt es, dass mit der abendlichen Demonstration, die 21 Uhr im Lene-Voigt-Park startete, ein gemeinsamer Moment geschaffen werden soll, „in dem wir uns die Straße nehmen und unserer Wut auf die zu erwartenden Verurteilungen Luft machen können“. Für die gesamte antifaschistische Bewegung werde das Urteil und die damit einhergehende Aufweichung des Paragraphen 129 des Strafgesetzbuchs Folgen haben. Die Organisator*innen haben die Vermutung, dass sich staatlichen Behörden in Zukunft bei ähnlichen Verfahren auf die Verurteilung im Antifa-Ost Prozess beziehen könnten.

Bild: Dani Luiz

Die antifaschistische Demonstration sollte eigentlich als Aufzug durch den Leipziger Osten ziehen. Kurz nach Start wurde die Demonstration am Ausgang des Lene-Voigt-Parks von der Polizei gestoppt. Nach einiger Zeit folgte das Verbot eines Aufzugs durch die Versammlungsbehörde. Aufgrund der erhöhten Teilnehmendenzahl könne nur eine Standkundgebung durchgeführt werden.
Statt den angemeldeten 150 Menschen hatten sich schätzungsweise 1500 Menschen im Park versammelt.

Die Teilnehmer*innen rannten daraufhin durch den Park und versuchten durch andere Ausgänge auf die Straße zu gelangen, was teilweise gelang und teilweise von der Polizei zurückgeschlagen wurde.
Es kam zum Einsatz von Pyrotechnik, die Pollizei setzte Pfefferspray und Schlagstöcke ein und immer wieder flogen Feuerwerksraketen, Flaschen und Steine. Mehrfach musste sich die Polizei aufgrund von Bewurf aus dem Park zurückziehen.

In der Folge war die Situation unübersichtlich und zerstreut. In einigen Seitenstraßen wurde Feuerwerk gezündet und einige Barrikaden gebaut.
Schließlich rückten an der Breite Straße Ecke Wurzner Straße zwei Wasserwerfer und ein Räumpanzer an, um die Straße zu räumen.
Polizist*innen jagten immer wieder durch die Straßen im Viertel und zerstreuten so die ehemaligen Teilnehmer*innen, die sich außerhalb vom Park nirgendwo neu als Masse formieren konnten.

Im Vorfeld wurde darauf hingewiesen, dass die Demonstration zwar die erste Reaktion auf die „drakonischen Urteile“ darstelle, dass jedoch bedacht werden müsse, dass der Schwerpunkt auf der Tag-X Demonstration am 3. Juni liege. Aufgrund des überregionalen Charakters und der monatelangen Planung rief die „Antifaschistische Vernetzung Leipzig“ dazu auf, den Samstag zu priorisieren.
Doch auch am Mittwochabend zeigte sich die Wut deutlich, besonders aufgrund des Verbots und der Auflösung der Versammlung durch die Polizei.

Bild: Dani Luiz


Sicher ist, das Urteil im Antifa-Ost-Verfahren wird die linke Szene auch über die für den 3. Juni angekündigte Demonstration hinaus beschäftigen. Es ist damit zu rechnen, dass es weiterhin zu zahlreichen Solidarisierungen, Protesten und auch militanten Aktionen kommen wird. Die aufgestaute Wut über die Repression der staatlichen Behörden wird sich in kommenden Demonstrationen und Protesten entladen.

Dani Luiz

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